Jochen Rathmann's Bücher

Mittwoch, 26. Oktober 2016

KAUM WORTE zu „Weit über das Land“ von Peter Stamm

Thomas hat keine Lust mehr. Zwei Kinder und eine Ehefrau im Haus, steht er auf und geht einfach weg. Vielleicht für immer, vielleicht nur für einige Jahrzehnte. Mit Verlaub, Thomas ist ein Arschloch, ein Egomane, ein Protz. So spießig, dass mit das Aufregendste auf seiner Exkursion der kurze Aufenthalt in einem Bordell ist, wo er die Bar nicht ein einziges Mal verlässt.

Ansonsten läuft Thomas einfach durch die Gegend. Viel Wald, Natur. Seitenlange Beschreibungen liefert Peter Stamm, wie jedes einzelne Blatt, auf dem der frische Morgentau seine Entfaltung findet, vom Lied des Windes getragen, gebrochen an den ersten Sonnenstrahlen eines aufgehenden Tages... Im Endeffekt lesen sich alle Thomas-Passagen wie diese Landlust-Pornografie, die derzeit von allen überschätzt für so populär gehalten wird. Man ärgert sich auf jeder zweiten Seite und sehnt sich nach einer Rückkehr zu der wahren Heldin des Buches:

ASTRID. Eben jene Frau, die plötzlich ohne Mann dasteht. Sie ist ratlos, überfordert, versucht zu schützen, was längst verloren ist. Ergibt sich dem gesellschaftlichen Drang. Muss sich und ihr Leben neu ordnen, was nicht gelingen will. Ihre Hoffnung ist eine Illusion, die sich nach und nach auflöst. Ob sie nun am Ende ein Happy End findet muss jeder selbst entscheiden. Zumindest der Leser kann sich immer dann glücklich schätzen, wenn ihre Geschichte im Vordergrund steht.


Montag, 24. Oktober 2016

London Has Fallen FILMKRITIK

(2016, Babak Najafi)

Wer einen charismatischen Action-Helden mag …
Wer eine wahre Männerfreundschaft schätzt, die sogar weit über den Tod hinausgehen würde …
Wer die Bösewichte klischeeüberladen mag …
Wer die Logik nicht ganz so ernst nimmt …
Wer immer noch nicht genug Plansequenzen gesehen hat, wo der Held „ohne Schnitt“ drei Minuten durch eine Straße läuft und alles niederschießt, was sich bewegt …
Wer möchte, dass die deutsche Bundeskanzlerin Agnes Bruckner heißt und als erste von Terroristen erschossen wird …
Wer testosterongeladene Dialoge schätzt, die mit einer Eisenstange zusammengehämmert wurden …
Wer Testosteron im Allgemeinen mag …
Für den ist „London Has Fallen“ der Film aller Filme.
Für den Rest wird es etwas schwieriger.


Donnerstag, 20. Oktober 2016

KAUM WORTE zu „The Secret History of Twin Peaks“ von Mark Frost_teil eins von zwei

Als vor gut zwei Jahren eine dritte Staffel der Fernsehserie „Twin Peaks“ angekündigt wurde, war das alles zu schön um wahr zu sein. Als dann auch noch ein Roman des Ko-Schöpfers Mark Frost in Aussicht gestellt wurde, welcher erzählerisch die 25jährige Lücke schließen sollte, glich das alles einem Hauptgewinn für jeden Fan.
Nach einigem logistischen hin und her ist nun endlich die dritte Staffel, unter den allerbesten Voraussetzungen, im Kasten und auch das terminlich oftmals verschobene Buch halten wir nun in den Händen. Allerdings ist es doch nicht der als „The Secret Lives of Twin Peaks“ angekündigte Lückenfüller. Also was genau ist dann diese „Secret History of Twin Peaks“?

FBI Special Agent TP (deren vollständigen Namen wir erst auf der letzten Seite erfahren) bekommt von Deputy Director Gordon Cole (der einst Dale Cooper nach Twin Peaks schickte) ein Dossier, welches man an einem Tatort sichergestellt hat und die gesamte Geschichte dieser kleinen Stadt in sich birgt. Ob nun verschollene Briefe der Forschungsreisenden Lewis und Clark, geheime UFO-Akten oder die Speisekarte vom Double R Diner. Eine mysteriöse Person namens „The Archivist“ hat alle Materialien zusammengetragen und textlich kommentiert, während eben jene TP dieses Gesamtwerk auf Herz und Nieren prüft und ihre eigenen Ansichten hinzufügt. So entsteht beim Leser eine Lektürehaltung, die man häufig bei den Werken von Mark Z. Danielewski einnimmt.

Die ersten beiden große Fragen, die sich sofort stellen, sind, wer sich hinter dem Pseudonym des Archivisten versteckt und ob TP die Person ist, die dann in der dritten Staffel frisch und fast unvoreingenommen, wie einst Dale Cooper, diese magische Kleinstadt in Washington betreten wird? Man könnte sogar soweit gehen, die Schauspielerin Amy Shiels hinter dem neuen Hauptcharakter zu vermuten. Aber dafür ist es noch etwas zu früh.


Dienstag, 18. Oktober 2016

How to be Single FILMKRITIK

(2016, Christian Ditter)

Dieser Film wollte so zuckersüß, frisch und ungezwungen sein. Und vielleicht hätte man ihm das auch abgenommen. Abgesehen davon, dass man Dakota Johnson die Unschuld vom Lande nicht mehr abnehmen möchte und Rebel Wilson auch irgendwann mal aufhören sollte, nur die Rebel Wilson-Rolle zu spielen.
Aber. Das große ABER des Films ist die merkwürdige Erzählstruktur, die die meiste Zeit überhaupt keinen Sinn ergibt. Die Drehbuchautoren konnten sich nicht entscheiden, ob sie eine üppige Geschichte geradlinig oder episodisch erzählen wollten. Also hat man alles irgendwie zusammengedrückt und Konstellationen unter den einzelnen Figuren geschaffen, die sich zu keinem Zeitpunkt rechtfertigen. Irgendwie hat hier jeder mit jedem zu tun, aber meistens dann doch niemand mit irgendwem. Größtes Opfer dieses erzählerischen Chaos ist Alison Brie, die man problemlos aus dem Film hätte herausstreichen können. Es wäre gar nicht aufgefallen.


Donnerstag, 13. Oktober 2016

KAUM WORTE zu „Biografie“ von Maxim Biller

Würde man alles aus „Biografie“ herausstreichen, was nicht von höchster Bedeutung für den Inhalt ist, wäre der Roman so lang wie „Esra“.
Also hält man hier ein sehr geschwätziges und vor allem schweres Buch in den Händen. Und genau das macht bei der – nicht immer leichten – Lektüre Spaß. Dieser Roman ist nicht für alle; ist er aber auch nicht gedacht. Man muss öfters im üppigen Namensverzeichnis auf den ersten Seiten nachlesen, wer jetzt nochmal wer und warum jemand hier oder dort ist, aber nach einiger Zeit hat sich das Problem wie von selbst gelöst, weil man sehr schnell den roten Faden entdeckt hat, der auf gut 900 Seiten blassrosa schimmert, oder es auch oft keine allzu große Rolle spielt.
Es ist ein Spiel mit der Sprache und ein wilder Ritt quer durch die Welt. Zügiges Umdenken, auch während eines einzelnen Satzes, wird gefordert, da man als Leser schnell und viel herumkommt.
Natürlich kann man Maxim Biller vorwerfen, dass er öfters mal das Wesentliche aus den Augen verliert. Doch sind es gerade diese kleinen Momenten, in denen scheinbar nichts relevantes passiert, die zu den stärksten Augenblicken der Erzählung gehören. Und davon gibt es reichlich. Man muss nur den Mut und die Ausdauer haben, in diese Welt einzutauchen.


Dienstag, 11. Oktober 2016

acht

Jacob Marley hat mittlerweile aber ganz sicher ein Alter erreicht, wo er nicht nur bei der täglichen Lektüre der Zeitung länger, als es meinetwegen noch vor fünf Jahren war, bei den Todesanzeigen verweilt und aufmerksam die Jahrgänge studiert und leider feststellen muss, dass es gerade noch zwanzig Jahre dauern wird, bevor es richtig spannend wird.
Nein,
er schaut sich auch gerne auf der ersten Seite der Internetfilmdatenbank die Kategorie „Heutige Geburtstage“ an und bleibt zu oft bei den Zahlen zwischen den Klammern hängen, was ihn gut und gerne in tiefe Depressionen stürzt.
Mittendrin und kurz vorm Ende.
Irgendwie dazwischen.
Schon drüber.
In diesem Sinne:
Cheers!


Donnerstag, 6. Oktober 2016

The First Avenger: Civil War FILMKRITIK

(2016, Joe & Anthony Russo)

Der große Showdown des Films kommt nicht etwa am Ende, sondern kurz vor Einbruch des dritten Akts. Und er findet natürlich auf dem Flughafen von Leipzig statt, weil es für den Parkplatz vor der Kaufhalle in Braunschweig keine Drehgenehmigung gab.
Und dann kämpfen alle uns bis dahin vorgestellten Marvel-Superhelden (außer die beiden wirklich Coolen) wie wild gegeneinander und am Ende ist zwar alles kaputt und alle erschöpft und niedergeschlagen, aber wirklich was getan hat sich nicht. Wäre es nicht viel interessanter gewesen, wenn Captain America sein Schild in die Luft geworfen hätte, Ant-Man wäre als Miniaturausgabe seiner selbst darauf gelandet, hätte die Flugrichtung verändert, Spider-Man hätte es an seinen Fäden weggezogen und es hätte plötzlich „ritsch“ gemacht; kurz darauf würde der frisch abgetrennte Kopf von Hawkeye an den „kämpfenden“ Avengers vorbeirollen und alle gucken sich irritiert an und wissen nicht weiter? Mein Gott! Damit hätte dann wirklich keiner gerechnet.
Doch was gibt es stattdessen? Einen godzillagroßen Ant-Man, der unkontrolliert um sich schlägt. Wobei, einen überdimensional großen Paul Rudd; das ist doch eine feine Sache, den würden wir uns doch alle gern in den Vorgarten stellen.
Aber mal im Ernst. „Civil War“ ist für das Marvel Cinematic Universe ein Game-Changer, und ich bin mir nicht sicher, ob das die Macher auch wissen. Wie sollen denn die Avengers in Zukunft überhaupt noch unbefangen die Hand gegenüber irgendeinem erheben, ohne die Geschehnisse des Films zu einer Karikatur seiner selbst zu machen? Vielleicht sollten jetzt wirklich Leute wie Tony Stark, Natasha Romanoff und Steve Rogers ihre Kostüme im High Tech-Kostümschrank hängen lassen und die Zukunft in die Hände der Guardians oder von Doctor Strange legen, die die Regeln in ihrer Welt erst noch definieren müssen.
Avengers, rest in peace. Wirklich, peace!


Dienstag, 4. Oktober 2016

10 Cloverfield Lane FILMKRITIK

(2016, Dan Trachtenberg)

Am Ende blieb der ganz große Knall dann doch aus. Der Film ist irgendwie das, was man erwartet hat. Und damit hat man diesem ganzen Projekt einen Gefallen getan. Auch wenn die meisten „Cloverfield“-Zuschauer sich vermutlich etwas mehr „Cloverfield“-Action gewünscht hätten, sind die 80 Minuten vor besagter „Cloverfield“-Action nahezu meisterlich.
Denn zunächst bleibt dieser Funken Restzweifel bestehen. Dann klärt sich der Sachverhalt Stück für Stück auf. Doch spätestens wenn John Goodmans mystisch-menschenfreundlicher Gutmenschcharakter Schicht für Schicht auseinander genommen wird, ist die Frage nach dem Guten und dem Bösen nicht mehr zu beantworten.
Da könnte man sich fast schon zu der Aussage hinreißen lassen, dass die „Cloverfield-Action“ am Ende ein wenig überflüssig und fehlplatziert war.
Aber eben nur fast.